Zusammen mit akademischen Partnern aus den USA und Deutschland richtete die Katholische Akademie in Berlin eine transatlantische Workshop-Serie zum Thema „Religion and the Cultures of Democracy“ aus. Sie beschäftigte sich mit der Rolle von Glaubensgemeinschaften in zunehmend von Misstrauen und Polarisierung geprägten demokratischen Gesellschaften.
Vom 1. bis 5. Oktober fand nun der zweite Teil der Serie an der University of Virginia statt. Ihr Titel („Community & Critique“) weist darauf hin, dass geteilte religiöse Weltanschauungen zwar internen Zusammenhalt fördern können, aber auch gesamtgesellschaftliches Konfliktpotential bergen. Die Veranstaltung erkundete dieses Spannungsfeld und ermittelte, welche Beiträge theologische Deutungssysteme zur Struktur demokratischer Gesellschaften leisten können.
Die besprochenen Themen weisen zahlreiche Verbindungen zu unserem Motiv „Kohäsion durch Konflikt“ auf:
Sources of Community. Die Aufnahme einiger in Gemeinschaften bringt stets das Ausschließen anderer und damit die Gefahr von Lagerbildung mit sich. Der demokratische Liberalismus fordert daher Werteneutralität im öffentlichen Raum. Da diese Haltung jedoch das im Böckenförde-Diktum angesprochene Fehlen eines Wertefundaments im säkularen Staat verschärft, stellt sich die Frage, inwiefern wertebasierte Gruppenbildung das Potenzial zur Lösung gesellschaftspolitischer Konflikte haben kann.
Contestation & Negotiation. Das Verhandeln von Differenzen gehört zum Kern der pluralistischen Demokratie—welche Rolle können hier Religionen mit ihren teils unverhandelbaren Glaubenssätzen spielen? Und brauchen Demokratien einen gemeinsamen Wertekanon, um die Grundlage für Dialog zu bewahren?
Exclusion & Violence. Gewalt war in der Vergangenheit eine regelmäßige Begleiterscheinung der Bildung, Entwicklung und Auflösung von Gemeinschaften. Auch politische Theologien wurden oft zur Legitimierung von Gewalt herangezogen. So drängt sich die Frage auf, wie Religionen ihre gemeinschaftstiftenden Potenziale entfalten, aber interne Gewaltphänomene eindämmen können.
Forces of Fragmentation. Wie an den aktuellen kulturellen Grabenkämpfen in den USA deutlich wird, tragen religiöse Identitäten neben ihrer integrativen Wirkung auch zu gesellschaftlicher Spaltung bei. Gleichzeitig können gesellschaftliche Transformationsprozesse zu Spaltungen innerhalb von Glaubensgemeinschaften führen. Angesichts dieser Wechselwirkung fragt sich auch, wie Religionen zur Überwindung von gesellschaftlicher Brüche dienen können.
Equality and Solidarity. Gleichberechtigung und Solidarität gehören zu Grundpfeilern von religiösen wie säkularen Gesellschaftsentwürfen. Dennoch fußt ihre Einforderung häufig auf dem Ausschluss anderer, etwa im Fall des Rechtspopulismus, und schafft so neue Verwerfungen. Daher gilt es zu erörtern, wie inklusive Solidaritätsmodellen wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen können.
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